Am vergangenen Freitagabend hatten wir das Vergnügen, im Volkstheater Wien Zeugen einer unkonventionellen und beeindruckenden Inszenierung zu werden: „Chinchilla Arschloch, waswas“. Das Stück bricht mit sämtlichen Theaterkonventionen und stellt das Tourette-Syndrom in den Mittelpunkt, indem es von drei Hauptdarstellern mit dieser neurologischen Störung und der begleitenden Musikerin Barbara Morgenstern auf die Bühne gebracht wird.
Was dieses Stück so besonders macht, ist die Art und Weise, wie es die Grenzen zwischen Theater, Vortrag und Kunstprojekt verwischt. In gewisser Weise ist es „scheißegal“, wie man es kategorisiert, denn das Wichtigste ist, dass es großartig unterhält und zum Nachdenken anregt.
Die betroffenen Hauptdarsteller, die ihre persönlichen Erfahrungen mit Tourette in die Inszenierung einbringen, schaffen eine Atmosphäre von Authentizität und Nähe, die das Publikum sofort in den Bann zieht. Durch ihre Offenheit ermöglichen sie es, dass das Stück nicht nur unterhält, sondern auch informiert und sensibilisiert. Die Begleitung durch die talentierte Musikerin Barbara Morgenstern gibt dem Ganzen einen zusätzlichen künstlerischen und emotionalen Tiefgang, der das Stück auf ein höheres Niveau hebt.
Die Regiearbeit ist ebenfalls lobenswert, da sie es schafft, die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Humor zu wahren. Inmitten der eindringlichen Momente, in denen die Schwierigkeiten und Herausforderungen der Protagonisten mit Tourette dargestellt werden, gibt es auch immer wieder humorvolle und komische Situationen. Diese sorgen dafür, dass das Stück trotz seines ernsten Themas leicht zugänglich bleibt und das Publikum zum Lachen bringt.
Die Kulisse und das Bühnenbild sind minimalistisch gehalten, was den Fokus auf das Wesentliche lenkt: die Schauspieler und ihre Geschichten. Die Lichteffekte und Tonkulisse unterstützen die Stimmungen und Emotionen der Szenen effektiv und unaufdringlich.
„Chinchilla Arschloch, waswas“ ist nicht nur ein Theaterstück, das unterhält, sondern auch eines, das zum Nachdenken anregt und das Bewusstsein für ein oft missverstandenes und stigmatisiertes Thema schärft. Es fordert das Publikum heraus, seine eigenen Vorurteile und Annahmen zu hinterfragen und öffnet einen Raum für Empathie und Verständnis.
Die Frage, ob es sich um ein Theaterstück, einen Vortrag oder ein Kunstprojekt handelt, bleibt letztlich unbeantwortet, denn es ist genau diese Ambivalenz, die „Chinchilla Arschloch, waswas“ zu einem unvergesslichen Erlebnis macht. Es ist ein Meisterwerk der darstellenden Kunst, das einen bleibenden Eindruck hinterlässt und das Wiener Volkstheater erneut als Ort der kulturellen Innovation und künstlerischen Freiheit etabliert.